Tage vergehen wie Staubnägel, Fristen, die man nicht einhält, auf die man sich jedoch auch nicht
verlassen kann, weil man sich auf nichts verlassen darf, höchstens auf die Zeit, höchstens auf den
Tag und die Nacht, das Schimmern eines Abendrots. Ansonsten liegt es vor einem, das Leben,
kümmert sich mal mehr, meistens eher weniger um das...ja um was eigentlich?
Manchmal kehrt man einsam nach Hause, setzt sich in die Küche, schlägt die Beine zusammen,
schaut ob der Mond noch da ist, zählt die Flecken darauf, zählt nicht die Flecken in der Seele, denn
das geht nicht, das darf man höchstens schreiben. Ach, wenn man bloß etwas wüßte, wie so ein
Leben funktioniert ohne dem Gefühl, daß es funktioniert. Ach Mensch, manchmal sollte es wirklich
Schokolade regnen oder Zeit, oder diesen unerklärlichen Zustand, wenn man gar nicht denkt,
sondern bloß berührt und wenn man Glück hat, berührt wird. 24 Stunden bleiben einem für so
ein Schwindel, ein süßer, berauschender Schwindel. Die Pharmaindustrie hat dagegen noch nichts
gefunden, naja Aspirin vielleicht, aber irgendwann verschwinden diese 24 Stunden und es wird Zeit.
Zeit für irgend etwas, Zeit nicht für das, für das hat man keine Zeit mehr, warum auch immer, ach
was für ein dummes Zeug. Müllwagen fahren vor und nehmen alles mit, die Liebe manchmal auch,
wenn man sie aufgebraucht hat oder so, oder Windjacken die niemand mehr tragen will, oder irgend
wie sowas und was bleibt übrig? Ein gemachtes Bett, Honigbrote inmitten von zweien die sich
gegenseitig an der Nase kratzen, ein Wildwuchs an Unvernunft, aber wehe der innere Wecker fängt
das Lärmen an......
'Du willst schon gehen?' Elke blinzelte. Peter brummte. 'Du bist ein Don Juan, du bringst die
Frauen um den Verstand und haust wieder ab. Du mußt bleiben und trösten' Er sah sie erstaunt
an, 'Wieso trösten?' 'Es tut weh, wenn einer geht, da braucht man Trost.' Er schaute verdutzt.
'Aber wenn ich bleibe, tut es doch nicht weh.' Sie grinste, 'Stimmt, also bleibst Du?' Da war sie
etwas zu schnell gewesen, denn nun grinste Peter und meinte, 'ich muß aber zur Arbeit.'
'Du putzt dir nicht die Zähne?,' fragte sie nun. Er konnte diese Frage zwar verstehen, aber hören
wollte er sie nicht. 'Ich muß zur Arbeit.' Elke zog sich hastig einen Bademantel über. 'Du willst dir
wirklich nicht die Zähne putzen?' Er mußte sich beeilen. Am Abend würde er ihr Blumen
mitbringen, und sich vor ihren charmanten Augen die Zähne putzen, als er jedoch die Türe öffnen
wollte, um zu verschwinden, (wie ein Lump, erschien es Elke), bemerkte er, daß diese abgeschlossen
war. 'Elke, ich flehe dich an, ich muß zur Arbeit.' Elke blieb hart und zeigte zum Spülbecken. Das
hätte ihm gleich komisch vorkommen müssen, ein Spülbecken im Zimmer, aber hätte das etwas
geändert? 'Heute abend werde ich sie mir putzen, ehrlich.' Elke dachte, 'Aha, der will also
wiederkommen.' Sie schwieg, holte eine Zahnbürste aus einem Schrank und schmierte Zahnpasta
drauf. Grinsend ging sie auf ihn zu. Er umarmte sie, sie umarmte ihn, und schon drehte eine
Zahnbürste in seinem Mund Runden um Runden, er konnte nichts dagegen tun. 'Komisch', meinte
Elke, 'Wo ist er nur?'
'Was suchst du denn?' hauchte Peter. 'Komm, umarme mich. Tröst mich, weil ich ihn nicht finde.'
'Welchen ihn?' 'Komm.' Er umarmte sie, ach wie sie sich anfühlte, so zart, so weich, er küßte sie.
'Jaaa, wir bleiben im Zimmer, niemand kommt rein, niemand kommt raus und alles nur, weil ich
den Schlüssel nicht finden kann', flüsterte sie. Peter überlegte, warum sollte er nicht mal zu spät
kommen, er war noch nie zu spät gekommen, warum sollte er also nicht zu spät kommen, aber er
war doch noch nie zu spät gekommen, sein Kopf glich einem Holzscheit, um den Elke tanzte und
sang. 'Bleiben, Du mußt jetzt bleiben.' Er konnte aber nicht bleiben, er mußte doch Kisten stapeln.
Sie grinste ihn an. Er grinste zurück. Sie zog sich ihren Bademantel aus und legte sich wieder ins
Bett. 'Ach', seufzte er 'und für was hab ich mir die Zähne geputzt?' 'Damit du mich besser küssen
kannst.' Er wäre für nichts lieber auf der Welt bei ihr geblieben, aber die Pflicht rief, sie stand
draußen am Fenster und hatte eine seltsame Mütze auf dem Kopf. Elke hatte sich ihren
Bademantel übergezogen und die Türe aufgeschlossen. Gegen die Pflicht kam auch Elke nicht an.
Nun, da Peter weg ist, wird es Zeit, Elke vorzustellen. Sie ist 25 Jahre alt, hat blaue Augen und
einen braunen Lockenkopf, es gibt kaum jemand, der sich nicht von ihrem Charme und von ihrem
reizenden Äußeren verzaubern läßt, bloß ein Problem gibt es bei dieser Sache. Merkwürdigerweise
ist es aber meist so, daß sie nicht interessiert ist, sie ist eben auf der Suche nach dem Richtigen
oder nach dem Glück, wie übrigens zwar nicht alle, aber doch ganz schön viele.
*
Elke lebt in einer WohngeZeit für ein Gedicht?chaft, drei Frauen, zwei Männer und sie eben.
Was sie beruflich macht? Ach, sie schleppt sich so durch, sie hat eine Tante im Vogelsberg, die ihr
ab und zu Geld überweist, ab und zu arbeitet sie auch in einem Copyshop, zu mehr hat sie keine
Lust. Sie öffnete das Fenster und sprang sogleich zu ihrem Kleiderschrank und.....versank in tiefe
Trauer, da gab es nichts, was sie noch nicht angezogen hatte. Also sprang sie in Julias Zimmer und
vertraute deren Kleidern ihren hübschen Körper an. Julia lag im Bett und sah wie Elke sich ihr
T-Shirt auszog. 'He', brüllte sie 'komm in mein Bettchen Süße, wir machen uns einen netten
Vormittag.' Die angesprochene zog sich eine schwarze Bluse an und streckte Julia die Zunge raus.
Julia war der treibende Wind in der Stadt, die Männer trauten sich kaum, sie anzugucken, so schön
waren ihre langen braunen Haare und die Augen(ebenso braun und nicht gefärbt!), wer sich nicht
in Elke verliebte, verliebte sich eben in Julia, ach.
'Es ist Zeit aufzustehen', meinte sie zu Julia und stand auf, sie studierte Germanistik in der Stadt,
das heißt, sie tat so als ob. Selten kam es vor das alle Mitbewohner in der Küche saßen, aber
diesmal war es eben so. Dieter dachte, 'ich sag mal was.' 'Leute, ich bin drogensüchtig,' seufzte er.
'Das wissen wir doch Dieter', meinte Elke. Julia setzte Kaffeewasser auf, Tina beäugte dies streng.
Tina war arbeitslos, sie hatte eine Umschulung als Bürokauffrau gemacht und saß nun da und
träumte; von einem Mann, von einem Beruf, aber beides lag so weit entfernt, daß sie nicht einmal
winken konnte.
Thomas packte sich und raste aus der Tür, er mußte zur Uni. Er war ein richtiger Aufstrebender,
sehr ehrgeizig, er studierte BWL und so wie die Dinge standen, hatte er sein Leben fest im Griff.
'Streber', schmiß ihm Julia hinterher. Sabine schaute sie zornig an, die war nämlich so verliebt in
Thomas, manchmal schrieb sie Gedichte, nein keine Gedichte, Kalkulationsprogramme, denn auch
sie studierte BWL. Die angeguckte öffnete den Kühlschrank. 'Wer hat das Spülmittel in den
Kühlschrank gestellt? Ihr seid pervers.' Tina seufzte. Sabine klagte. Julia schimpfte. Dieter
grübelte, nur Elke schaute lieblich aus dem Fenster, ein Zug fuhr gerade in den Bahnhof.
*
Elke spazierte zum Park, dort wo Schwäne und Enten im grünen Wasser schwammen. Der
allergrößte Verehrer von Elke hieß Helmut, der wohnte ganz in ihrer Nähe, er sammelte ihre
Fußspuren und legte sie in sein Zimmer, auch stellte er sich manchmal vor, wie es wäre, mit ihr
Mikado zu spielen, an Sex dachte er nicht, und wenn er wirklich mal an Sex dachte, wurde er rot
und versuchte sofort an etwas anderes zu denken, manchmal klopfte er sich auf die Finger, einmal
nahm er sogar einen Stein und schmiss ihn sich an den Kopf. Er war arbeitslos und wohnte noch bei
seiner Mutter und die konnte so gar nicht verstehen, was Helmut an Elke fand. Ach was waren die
Männer verrückt, aber für Helmuts Mutter war Helmut kein Mann. Er war zwar 29 Jahre alt, aber
er war kein Mann, das meinte seine Mutter und die musste es wissen. Ein Gitarrenspieler setzte
sich auf eine Bank, Elke setzte sich in seine Nähe, um zu lauschen, sie hatte gar nicht bemerkt,
daß sie den Helmut einfach stehen gelassen hatte, aber der bemerkte das auch nicht. Leider konnte
der Gitarrist gar nicht gut spielen, sondern wollte nur ein wenig Aufmerksamkeit. 'Hallo schöne
Frau wie heißt Du?' 'Gudrun', log Elke. 'Soll ich Dir ein Lied singen Gudrun?' 'Nein' log Gudrun.
Und
dann erzählte er ihr seine grausame Lebensgeschichte und daß die Frauen aus unerfindlichen
Gründen nichts von ihm wissen wollten, auch das war übrigens erlogen, er war seit 13 Jahren mit
Sigrid zusammen, sie hatten sich beim Marschieren für den Frieden kennengelernt. Jetzt lag sie mit
Rückenschmerzen zuhause und jammerte und bat ihn zum Apotheker zu rennen und eine Salbe zu
besorgen, und dann sah er die Elke dastehen, von der er ja nicht wußte, daß sie Elke hieß. Er lieh
sich von einem Wanderer eine Gitarre aus und begnügte sich mit den Liedern, die er aus den
Siebzigern kannte.
Helmut fand die Lieder sehr romantisch und wollte noch mehr Lieder hören. Grashalme blieben
grün, die Enten turnten im Wasser, die Sterne waren nicht zu sehen, es war ein heller Nachmittag.
Plötzlich tauchte Sigrid auf, wie aus dem Nichts tauchte sie auf, wie aus dem Nichts verschwand sie
auch wieder, und zwar mit ihm. Elke war es nun auch genug. Auch hatte sie nichts mehr, womit sie
die Enten füttern konnte, kurz schaute sie Helmut an und grinste orientierungslos.
Helmut rannte auch hastig nach Hause. Dort lag in einer Schublade sein Tagebuch, dort trug er
ein, 'heute hat mich Elke auf den Mund geküßt.' Jeder schreibt halt das, was ihm gefällt.
*
Elke lag in der Badewanne, ein Frosch auch, man konnte aus seinem Maul eine Mücke an einem
Faden ziehen. Die Mücke war wie der Frosch aus Plastik, das war ihre einzige GeZeit für ein Gedicht?amkeit, zog
sie am Faden, begann der Frosch durch das Wasser zu strampeln, die Mücke war ihm hilflos
ausgesetzt. War jene arme Mücke in Nähe seines Mundes, wurde sie vom Frosch mit einem letzten
großen Schnapp aufgespeist. Elke wußte, daß es eigentlich sie war, die die Mücke immer wieder aus
dem Maul des Frosches zog und das Spektakel danach beobachtete. Manchmal kam es ihr vor, als
lächele sie der Frosch an, da streichelte sie ihn. Die Mücke streichelte sie nie, vor Mücken fürchtete
sie sich ein wenig. Sie ließ es sich gutgehen. Eine Kanne Kaffee und ein Buch mit erotischen
Gedichten Alexander Puschkins, erfreuten ihr Herz.
Thomas klopfte an die Badezimmertür. 'Ja', rief Elke ein wenig verärgert, denn dadurch entging ihr
der Moment der Verspeisung. 'Da ist wer für dich.'
Elke war verwundert. Ihr Lover war auf Arbeit, und sonst erwartete sie niemanden. 'Schick es in
mein Zimmer.' Vielleicht war`s Klara, die so gerne mit ihr mittwoch abends Ping Pong spielen würde.
Ihre Eltern waren Mittwochs immer beim Singeltreff und die Tochter mußte das ganze
Einfamilienhaus hüten. Warum die Eltern zum Singeltreff gingen? Reine Gewohnheit!
Klara war 25 und war Fliesenlegerin bei der Firma Reich und Sohn und deren Sohn war in Elke
verliebt und das ging so. Eines Mittwochs rief
Klara von der Arbeit aus die Elke an und fragte sie, ob sie Lust habe, am Abend Ping Pong zu
spielen. Die mochte aber nicht, hatte aber Lust, mit ihr einen Kaffee zu trinken, und deshalb
besuchte sie die Klara in der Firma. Der Sohn der Reichs erblickte sie, als er versuchte, eine Biene
vom Fenster abzukratzen. Er war so verwirrt, daß er aus Versehen den Stuhl nahm und die
Fensterscheibe einschmiß, was der Biene egal war, denn die lebte eh nicht mehr. (Meine
Dichterkollegin Jutta aus Berlin wird mich ausschimpfen, weil sowieso klar war, daß die Biene nicht
mehr lebte, aber ich mag es so, wenn sie schimpft.) Er versuchte sich irgendwie mit zum Kaffee
trinken einzuladen, aber das gelang ihm nicht, weil nämlich der Lagerarbeiter Karl Petersen kam
und fragte, was passiert sei. Nun, seitdem gab er der Klara jeden Tag einen Brief für die Elke und
die stapelten sich nun in dem Einfamilienhaus, denn die Elke kam ja nie zum PingPong spielen. Die
lag halt lieber mit einem Frosch in der Wanne und goß sich Kaffee ein.
Eine gute Stunde später klopfte es wieder an der Tür. 'Der Gast läßt fragen, wie lange es noch
dauert?' rief Thomas. Sie küßte den Frosch auf den Mund und sagte kein Wort. Erst, nachdem er
noch mal klopfte, beschloß sie zu antworten: 'Ich bin abgesoffen, ich komm heut nicht raus, er soll
gehen oder bleiben, ist mir egal.'
Sie grinste dem Frosch zu und forderte ihn auf, noch eine Runde zu drehen. Anfangs tat ihr die
Mücke leid, ja manchmal, wenn sie traurig war, weinte sie, wenn der Frosch zuschnappte. Doch mit
der Zeit wurde er ihr immer sympathischer. Nach einer neuerlichen Stunde klopfte es wieder. 'Elke,
ich wollte auch baden.' Es war Sabine. 'Was mußte die jetzt baden?', fragte sich die
Froschliebhaberin. Aber sie wollte keinen Streß, darum kletterte sie aus der Wanne, zog sich einen
Bademantel über und schloß die Türe auf.
Als sie ihr Zimmer betrat, traf sie fast der Schlag. Helmut saß da und schaute sich alte Fotos an.
'Helmut!', rief sie, und er legte die Fotos ganz schnell beiseite. 'Hallo Elke, ich wollte dich
besuchen', grinste Helmut breit. 'Das hast Du ja jetzt gemacht, mach’s gut Helmut.' Es kam ihm
zwar etwas kurz vor, aber immerhin, er war ganz in der Nähe, und er sah sie ein letztes Mal an, wie
sie so dastand in diesem Bademantel, und er dachte sich, 'die hat bestimmt nichts drunter' und
deshalb hatte er es ganz besonders eilig, nach Hause zu kommen.
Thomas saß verträumt in der Küche. In seinem Kopf schwebten tausend Seifenblasen. Er trank zum
wiederholten Male aus einer Tasse, in der kein Kaffee mehr war. Als er das erste mal an die Türe des
Bades klopfte, war es ihm, als klopfe er an sein Herz. Wie gerne wäre er der Frosch gewesen. Ganz
plötzlich machte es;'BLINK', und er war verliebt. Gleich heute Abend wollte er es ihr gestehen.
Draußen hatte es geklingelt. Thomas öffnete. Elke legte sich ins Bett.
Peter klopfte an ihre Tür. Sie wußte, daß es Peter war, er war der einzige, der anklopfte. Elke war
mittlerweile wieder aufgestanden, zog sich ein paar Socken an und ein ziemlich dünnes T-Shirt,
danach bequemtesie sich noch, eine Bluse drüber anzuziehen. Es klopfte noch einmal. Wieder
klopfte es. Sicher hatte er ihr Blumen mitgebracht. Sie schaltete die Stereoanlage an. 'Ach,' rief sie,
'es klopft, mein Gott, mein Liebster steht vor der Tür und klopft, ich sollte ihn hereinlassen.
Vielleicht hat er Blumen dabei, der Gute.' 'Komm rein', gurrte die. 'Na endlich, hast du
geschlafen?' Peter tat so, als wäre er nicht genervt, er drückte ihr einen Strauß Rosen in die Hand.
Sie lächelte und gab ihm einen Kuß. Er flüsterte ihr ins Ohr, daß er sie liebe. 'Ich hab dich nicht
verstanden', grinste Elke. Da schrie er, daß es selbst Helmut hörte, der ein Haus weiter wohnte
und immer das Fenster einen Spalt auf hatte.
Thomas war entsetzt und hastete schnell in sein Zimmer, um in seinen Terminkalender
einzutragen, daß er ihr erst morgen seine Liebeserklärung machen werde.
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