ich hatte glück!
meine pubertät zeichnete sich durch konsequente pickellosigkeit aus. akne
war für mich ein spanischer bahnhof aus dem aufklärungsbuch des
sitznachbarn.
während meine mitstreiter auf dem weg ins erwachsenenleben wahre hügel- bzw.
kraterlandschaften spazierentrugen, erfreute sich mein gesicht, mal
abgesehen von der krummen nase, den riesigen ohren, dem kreuzblick usw.,
penetranter makellosigkeit. pointilismus in rot-gelb war meine kunstrichtung
nicht. die mädchen wußten das zu schätzen und ich erst recht, denn während
meine freunde ihre abende damit verbrachten, eiterpatzen auf den alibert zu
schießen oder sich mit porenreinigern das gesicht wegzuätzen, erkundete ich
das ach so andere geschlecht des ach so anderen geschlechts. irgendwer mußte
es ja tun. jeder, der selbst mal jung war, und das waren ja gar nicht so
wenige von uns, wird sich erinnern, daß es da einiges zu erkunden gab. ich
will ja nicht protzen, aber ich möchte schon erwähnen, daß ich sämtliches
zubehör ohne gröbere umschweife gefunden habe. das ganze verwendbare zeug.
von dieser jugendlichen navigationssicherheit zehre ich heute noch. fast
ohne hinzuschauen könnte ich sagen, wo bei einer frau was ist. eine tugend,
auf die ich bestimt nicht zurückgreifen könnte, wenn ich mit dreizehn ein
gesicht wie ein krisengebiet gehabt hätte.
aber pünktlich zur ablegung der knabenhaftigkeit, als scham- und
achselbehaarung längst ausgewachsen waren und ich auch den bartwuchs mit
schärfe im zaum zu halten wußte, erblühte ein riesenhafter pickel auf meiner
nase. dick und rot wie ein reifer zwergapfel. er war allein, aber imposant,
als gelte es, all das nachzuholen, was mir an schmach bis zu diesem tag
erspart geblieben war. er war so groß, daß er sogar einen schatten warf.
allerdings hieß seine adresse: zwei, drei poren über dem nasenflügel, eine
ahnung links der mitte, aber der mensch ist eben nicht perfekt.
er war "der pickel, den ich nie hatte", wies oft ähnlich in schlechten
filmen heißt, wenn der geschäftmann fast zärtlich über seinen jugendlichen
protege spricht.
und seit dem kommt er in unregelmäßigen aber geringen abständen wieder. ich
erkenne ihn jedesmal. es ist immer derselbe. wenn er wenigstens einmal im
jahr, zum geburtstag, oder sommerbeginn oder weiß der kuckuck, käme, dann
könnte ich mich darauf einstellen. aber er taucht unangemeldet auf, bleibt
dann zwei wochen und verschwindet wieder.
was will er mir damit sagen?
daß ich gottesfürchtiger sein soll? daß ich auf meine nase achten soll, als
wär sie mein johannes? daß alles, so beschissen es auch ist, immer noch viel
schlimmer werden kann?
nein, ich glaube, dieser kleine störenfried ist mein ganz persönlicher
schutzpickel, den ich bisher nur nicht richtig zu schätzen wußte, was daran
liegen mag, daß er eben kein schätzpickel ist. aber nachträglich fällt mir
ein: niemals, wenn er erschien, wurde ich vom blitz getroffen, nie von
irgendwas überfahren und schon gar nicht erschossen. also sind die viele
menschen, die mich zur pickelblütezeit auf der straße spontan auslachen,
wohl nur neidisch.
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